Transformation braucht Zeit & Engagement

Gespräch mit Karl Rose
Transformation braucht Zeit & Engagement
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„Wir können es uns nicht leisten, dass weiterhin alle aneinander vorbeireden und Wissen durch Meinungen ersetzt werden.“ appelliert Karl Rose im Interview über Energie, Klimaziele und Ressourcen.

Im Dezember 2020 hat die EU beschlossen, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % (gegenüber 1990) zu reduzieren. Für die Klimaziele 2030 und für die Klimaneutralität Österreichs im Jahr 2040 sind weitreichende Transformationsschritte zur Verminderung des Einsatzes fossiler Energie erforderlich. Wie realistisch sind diese Ziele?

Wenn wir uns alle wirklich bemühen, können wir dieses Ziel erreichen, ein bis zwei Jahre auf oder ab. In der Stromproduktion fehlen uns noch 27 Terrawattstunden (1 Terrawattstunde = 1 Milliarde Kilowattstunden) die wir von fossilen auf erneuerbare Energie umstellen müssen. Wenn wir Glück haben, kommen neue Technologien, die den Transformationsprozess beschleunigen.

Warum ist es so schwierig, den Ausbau der Produktion von „grünem Strom” durch Windenergie und Photovoltaik zu beschleunigen?

Wir haben bei der Photovoltaik tausende Anträge, die von den Netzbetreiber:innen abgelehnt werden müssen, weil sie in den Stromnetzen nicht Platz haben. Das hat damit zu tun, dass man nicht innerhalb von ein paar Jahren das gesamte Verteilnetz ändern kann. Unser Stromnetz basiert auf zentralen Kraftwerken, von denen die Leitungen zu den Verbraucher:innen führen. Mit Windparks und großen Photovoltaik­ Freilandflächen liegt die Erzeugung nun oft in Gegenden in denen die Infrastruktur dafür nicht ausgelegt ist. Die erforderlichen neuen Investitionen in den nötigen Ausbau der Netze werden uns noch viele Milliarden kosten. Neben der Frage der Finanzierung fehlen für eine schnelle Umstellung auch Personal und Material. Auch die ebenfalls nötigen neuen Trafo-Stationen sind sehr teuer und jeder Trafo hat eine Lieferzeit von bis zu einem Jahr.

Wie schnell lässt sich Erdgas durch andere Energieträger ersetzen?

Wir müssen differenzieren: Bis Anfang des Jahres ging es um die Verringerung des Gasverbrauchs im Interesse der Klimaziele. Jetzt wollen wir aus politisch-moralischen Gründen so rasch wie möglich die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren. Um auf Gas komplett zu verzichten (das wäre das Äquivalent von 13 großen Donaukraftwerken) gibt es technisch nur wenige Wege: Die Nutzung der österreichischen Gasvorkommen, Gas aus anderen internationalen Quellen als Russland und den Ersatz von Gas durch Wasserstoff. Letzteres braucht aber technisch noch ein paar Jahre Entwicklung und würde den Bedarf an elektrischer Energie weiter erhöhen. Das wird also nicht von heute auf morgen realisierbar sein. Kurzfristig wirksame Optionen sind Sparen, Gas aus anderen Quellen als Russland importieren und das kurzfristige Ersetzen von Gas durch Öl und Kohle.

Welchen Weg können wir in Österreich beschreiten, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen?

Neben der Umstellung bei den Energieträgern und in der Stromproduktion muss die Effizienz im Vordergrund stehen. Wir müssen Energie sparen, vor allem so wenig Energie wie möglich vergeuden. Wenn wir Energieeffizienz weltweit betrachten, dann ist Europa Weltmeister und innerhalb Europas ist Österreich am besten. Wir haben schon viel erreicht und gerade in der Industrie ist es schwer, da noch etwas draufzusetzen. Potenziale gibt es sicherlich im Gebäude- und Transortsektor, hier sind wir sehr verschwenderisch.

Wir haben bei der Fernwärme zu hohe Rücklauftemperaturen, wir fahren und viel mit dem Auto und unsere Autos sind zu groß. Wir können auch die Wärme, die in den Kanalnetzen steckt, nutzen oder nach Geothermie bohren. All das macht man aber leider erst dann, wenn es sich aufgrund hoher Energiepreise auch rechnet oder wenn ein Mangel droht, der die Versorgung wichtiger werden lässt als die Kosten.

Welchen ratschlag können Sie aus Ihrer Erfahrung den Jugendlichen von heute auf den Weg geben?

Der wichtigste Rat ist, den Mut nicht zu verlieren. Die Welt ist in vielen Bereichen besser geworden, etwa bei Kinderarbeit, Kindersterblichkeit und Lebenserwartung. Wir werden auch die Energie- und Klimakrise meistern. Das passiert aber nicht von selbst: Absolvieren Sie technische Ausbildungen, denn diese Expert:innen werden Entscheidendes leisten müssen. Vergeuden Sie keine Energie, sehen Sie diese als wertvolles Gut, mit dem wir vernünftig haushalten müssen. Stellen Sie sich der Komplexität der Welt. Debattieren Sie, wägen Sie Argumente ab, informieren Sie sich, hören Sie zu. Wir können es uns nicht leisten, dass weiterhin alle aneinander vorbeireden und Wissen durch Meinungen ersetzt werden.


Univ.Prof Dipl. -Ing. Karl Rose ist Professor für Strategisches Management und angewandte Unternehmensführung am Zentrum für Entrepreneurship und angewandte Betriebswirtschaftslehre am Institut für Unternehmensführung und Entrepreneurship der Universität Graz.

Er studierte an der Montanuniversität Leoben Erdölwissenschaften und war beinahe 25 Jahre in leitender Position bei Royal Dutch Shell. 2010 bis 2017 leitete er als Senior Director Policy and Scenarios im Weltenergierat die Agenden ,,Internationale Energiepolitik und Entwicklung von globalen Energieszenarien 2050″. Von 2017 bis Juni 2022 war er Chefstratege und Chefökonom bei der Abu Dhabi National 0il Company. Karl Rose ist Aufsichtsratsmitglied der OMV AG und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Energie Steiermark.


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